Man sollte positive Urteile nur ernstnehmen, wenn der Urteilende das
Beurteilte wenigstens zweimal gründlich betrachtet hat. Etwas
als "gut" oder gar "prima" Eingestuftes wird man sich
ja sicherlich mehrmals zu Gemüte führen und kann mit dem öffentlichen
Lob demzufolge auch ein wenig warten. Die Gefahr vorschnellen Lobens ist
bei einmaliger Betrachtung nämlich groß: Gängige Mechanismen
"moderner" Produktionen, die ausgeklügelt darauf zielen,
an Oberflächen liegende Bedürfnisse sozusagen instant zu befriedigen
und damit schnelle Begeisterung zu erzeugen, verfangen auch bei mir, und
manches rasch gefällte Urteil "Toll!" musste bei näherer
Betrachtung beschämt revidiert werden. Aus diesen Gründen verschwanden,
unter vielen anderen, alle bis dahin gehabten Bücher von Stephen
King aus unseren Regalen. Zwar halte ich "ES", "Schwarz"
und "Langoliers" noch immer für gelungen und als Texte
überzeugend ...- fürchte jedoch, dass sie eine weitere Lektüre
nicht überleben würden. Also behalte ich sie in guter Erinnerung,
ohne abermaliges Lesen in Erwägung zu ziehen.
Andererseits gibt es - nicht in solcher Menge wohl, aber es gibt sie -
kulturelle Leckerbissen, für die Sinne und Hirn sozusagen erst erwachen
müssen. Da machte die im ersten Augenblick spontane Ablehnung bei
intimerer Bekanntschaft oft gar ernst- und dauerhafter Liebe Platz. Nietzsches
"Also sprach Zarathustra"
gehört ebenso zu diesen Werken wie Norfolks Roman "Lempriéres
Wörterbuch" oder Arnold Hausers "Sozialgeschichte
der Kunst und Literatur".
Abgesehen davon ist es gewiss normal, wenn sich Geschmack und Vorlieben
mit der Zeit und dem Älterwerden wandeln. Selbst von mir in einem
bestimmten Alter oft gelesene Bücher konnten durch solchen Wandel
in arge Bedrängnis geraten, wogegen vormals als ziemlich langweilig
eingestufte Texte sich durchaus zu "page-turnern" zu entwickeln
in der Lage waren. Viele von mir ehemals begeistert gelesene Geschichten
Astrid Lindgrens beispielsweise sind mir heute unerträglich.
Wogegen die stillen, etwas melancholischen Bücher von Tove Jansen
in meiner Wertschätzung über die Jahre immer weiter stiegen.
Es gibt Bücher, denen das Alter (ihres und meines) offenbar nichts
anhaben kann. Dumas´ "Die drei Musketiere" und
"Der Graf von Monte Christo" gehören ebenso dazu wie Stevensons
"Die Schatzinsel" oder Tolkiens "Der kleine Hobbit"
und seine Trilogie "Der Herr der Ringe".
Natürlich gibt es Autoren, die man einfach mag. Zwar bin ich längst
kein kritikloser "Fan" mehr von irgend etwas oder irgend jemandem,
aber die Lektüre einiger Schriftsteller kann ich pauschal empfehlen.
Sicher ist keiner von ihnen in Inhalt und Stil von seinem ersten Buchstaben
bis zum Schlusspunkt seines letzten Buches unverändert genial, aber
ich darf bestimmt sagen, dass es sich lohnt, Shakespeare oder Goethe,
Erich Maria Remarque oder Leo Perutz, Jules
Verne oder Terry Pratchett zu lesen, weil ihre Texte
nicht vordergründig, seicht oder plump sind, sondern auch nach mehrmaliger
Lektüre immer noch neue Eindrücke und Anregungen bieten und
sich darüber hinaus einer Sprache bedienen, die edel bearbeitet und
- einfach gut ist. (Terry Pratchetts Bücher sind sogar in den oberflächlichen
Übersetzungen von Andreas Brandhorst
noch gut. Im englischen Original jedoch unvergleichlich viel besser.)
Ähnlich liegen die Fälle bei Filmen und Musik. Wobei Musik es,
ihrer heutzutage viel zu leichten Konsumierbarkeit wegen, am schwersten
hat. Man kann ein aktuelles Lieblingsalbum tagein tagaus von früh
bis spät nonstop im Hintergrund laufen lassen ...- bis es einem zu
den Ohren hinaus hängt, und man es irgendwann im wahrsten Sinne satt
hat. Erinnern Sie sich? Die Sache war ein wenig anders, als man es noch
mit Tonbändern oder Schallplatten zu tun hatte: Es ist doch ein -
wenn auch kleiner - Aufwand, den Tonträger immer wieder umzudrehen,
und manche für Ohr und Hirn erholsame Pause ergab sich nur daraus,
dass man einfach keine Zeit hatte, ständig zu Tonbandgerät,
Kassettenrecorder oder Plattenspieler zu laufen. CDs und MP3-Formate haben
diese Pausen gestrichen und damit wohl ihren Teil dazu beigetragen, dass
Hits, Top-Alben und Bands immer schneller verschleißen. Umso schöner,
wenn man sagen kann, dass es, auch abgesehen von den Klassikern wie Vivaldi,
Telemann oder Bach, trotzdem noch Musik gibt, der man scheinbar
ewig lauschen kann, weil man bei jedem Hören immer noch etwas dazu
entdeckt. Ich höre zum Beispiel seit teilweise über 20 Jahren
mit unverminderter - ja, eher immer noch steigender - Begeisterung die
letzten Alben von Talk Talk "The Spirit of Eden" und
"Laughing Stock" nebst Mark Hollis´ Solo-Produktion
"Mark Hollis": Sie eignen sich mir für die musikalische
All-day-Berieselung ebenso wie für den aufmerksamen Hörgenuss;
werden nie zu Ohrwürmern und nie langweilig. Mit dieser Art perfekter
Schwingung kann ich nur wenig andere Musiker und Musiken vergleichen.
Die Band Genesis gehört möglicherweise dazu. Und Marillion
(solange Fish der Sänger war!) ist großartig und ebenfalls
ever-lasting. Auch die Alben "The Friends of Mr. Cairo" und
"Short Stories" von Jon and Vangelis sind nicht kleinzukriegen.
Natürlich sind da auch viele andere Klänge, die sich nicht,
und scheinbar nie, abnutzen - die man jedoch nicht immerzu und ständig
hören kann. Manches eignet sich nur für bestimmte Stimmungen,
Tätigkeiten oder Anlässe. So gerne ich sie mag, kann ich
AC/DC nicht jeden Tag hören, und auch David Bowie, die
Rolling Stones, Portishead oder Radiohead haben ihre
Zeiten. Zu dieser Gruppe von dauerhaft guter Musik gehören für
mich auch DeuS, Foyer des Arts, Killing Joke, The Psychedelic
Furs, The Immaculate Fools, E.L.O., Pink Floyd,
Roxy Music, Siouxsie and the Banshees, P.J.Harvey
und noch eine Menge andere.
Was Filme angeht ...- da wir so gut wie nie ins Kino gehen und unser häusliches
Fernsehgerät mit keinerlei Sendeanstalt verbunden ist, sondern nur
dazu dient, Videos oder DVDs zu zeigen, summen die meisten filmischen
Eintagsfliegen unbemerkt an uns vorbei. Die Konserven unserer Sammlung
werden also mehrmals und teilweise sogar oft angesehen, und es gibt -
wie bei der Musik - Favoriten in unterschiedlichen Graden. Alte, immer
wieder gern angeschaute, Kamellen sind ohne Zweifel Titel wie "Manche
mögen´s heiß", "Die tollkühnen
Männer in ihren fliegenden Kisten" oder Peter Sellers´
Kommissar Clouseau. Und es gibt auch ernsthaftere und möglicherweise
wichtigere Werke, die für uns zu den besten Filmen zählen: "Schtonk!",
"Wir können auch anders" und "Sonnenallee"
gehören wohl dazu.
Diese Seite soll also verschiedenen Besprechungen und Rezensionen gewidmet
sein; manchmal ausführlichen, manchmal kürzeren Auftritts; immer
subjektiv und - was sicherlich auch ganz erfrischend ist - nicht ausschließlich
lobend.

|