Ein Buch von einer Frau, ein Buch über Frauen, ein Buch für Frauen.
Diese Trinität reicht im allgemeinen aus, mich einen weiten Bogen um das entsprechende Werk machen zu lassen: Zu groß ist die Menge der schrecklichen und erschreckend armseligen Texte, die unter diesen Vorzeichen nach dem Konsumentenschwarm (hier wahrscheinlich: "KonsumentInnenschwarm" : man möchte sich ja keine Feinde machen ...) der sogenannten Emanzipierten fischen. Umso größer ist meine Freude darüber, dass es Renate Feyl gelungen ist, jemanden wie mich eines Besseren zu belehren.
Die hier lautlos aufbrechen sind allesamt Frauen der Wissenschaft; Frauen, die als Biologen, Ärzte, Astronomen, Mathematiker oder Pädagogen ihrer Berufung zu Zeiten folgen, da die bloße Tatsache, Frau zu sein, jedwede Form von wissenschaftlicher Berufung als lächerlich und naturwidrig brandmarkt. Es sind 11 hoch interessante Geschichten, fein geschrieben, die hier von Biografien zwischen dem siebzehnten und dem zwanzigsten Jahrhundert erzählen. Biografien, die dem Streben nach Erkenntnis und Fortschritt geweiht sind. Renate Feyl gelingt ein kleines Wunder: Mit Sympathie und Anteilnahme berichtet sie vom Lebensweg dieser 11 Frauen und den Schwierigkeiten, die sich ihnen in ihrem Dasein als Wissenschaftler und Vertreter ihres Geschlechts in den Weg stellten, ohne sie auf das zu reduzieren, was andere "Frauen"bücher mit so eklatanter Vorliebe tun: nämlich auf Feministinnen, die sich in einer Männerwelt ihren Weg bahnen.
Im Gegenteil verschweigt die Autorin in ihren Geschichten nicht, dass es durchaus auch Männer gab, die sich den herrschenden Ansichten und Dogmen ihrer Zeit widersetzten, indem sie der Gleichberechtigung eine Lanze brachen und damit gegen ebensolche Schwierigkeiten zu kämpfen hatten wie jeder, der (oder jede, die) den gesellschaftlichen status quo in Frage stellen. "Geist hat kein Geschlecht", schreibt Renate Feyl. In diesem Sinne beschwört sie Portraits ungewöhnlicher Menschen herauf, die trotz widriger Umstände Außergewöhnliches leisten; Portraits, die dem Leser und Betrachter die Absurdität geschlechtertrennender Vorurteile und Diskriminierungen vor Augen führen. Und deshalb möchte ich meinen ersten Satz noch einmal revidieren: "Der lautlose Aufbruch" ist ein Buch von einem intelligenten Menschen, ein Buch über intelligente Menschen, ein Buch für intelligente Menschen.