Die Gleichstellungsbeauftragte

Öl, Hf - 2009 - 103 x 136 cm

sie ist wie ihr -
nur habt ihr sie
erhoben,
und müsst sie nun
um euer selber willen
loben. ihr tut´s
und kleidet sie
in vollmacht und in
ehren und träumt,
dass ihre hände gut
für eure sorgen wären.
ihr solltet wissen -
denn sie ist euresgleichen:
was sie nur irgend kann
wird sie
für sich
erreichen

-

Ich habe dieses Bild gemalt, um meine Sicht auf Wesen und Beruf einer Gleichstellungsbeauftragten zu illustrieren. Dabei ging es mir vor allem um die Darstellung meiner Überzeugung, dass das Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten überhaupt nichts mit praktizierter Gleichberechtigung zu tun hat. Es ist hier wie mit vielen Phänomenen unserer Kultur, die mich von Jahr zu Jahr stärker an die Legende von Atlantis - oder vielleicht mehr noch an die Geschichte von den Schildbürgern - erinnert. Ursprünglich wichtige und wertvolle Ziele und Anliegen werden zwar nie realisiert, aber umso üppiger formuliert, ausgeschmückt und schließlich mit so vielen Fortsätzen und Ornamenten versehen, dass das ungelöste Problem zwischen ihnen vollkommen verschwindet. Ja, es werden eine Menge zusätzlicher und künstlicher Problemchen erfunden, die man der nicht gelösten Aufgabe anheftet, um dann mit der Bewältigung dieser Nebenprobleme große Erfolge zu feiern. Am Ende wird weit über das Ziel hinaus geschossen, ohne es je erreicht zu haben.
Was mich daran am meisten wundert ist nicht, dass es gemacht, sondern, dass es von so wenigen durchschaut wird.
Ursprünglich ging es, wenn man von Gleichberechtigung sprach, darum, dass Frauen und Männer dieselben Rechte haben müssten. Das schien irgendwann endlich, wenn auch viel zu spät, realisiert worden zu sein. Der zweite Schritt ging von der völlig verqueren Annahme aus, "dass uns das Recht auf eine Sache/ schon wirklich für sie brauchbar mache". (Aus meinem Gedicht zum Quadrichon "Equal Rights - Equality?") Wenn also per Recht und Gesetz garantiert war, dass Frauen allen möglichen Berufen nachgehen und dort natürlich auch Leitungspositionen einnehmen durften (was selbstverständlich sein sollte), dann musste die Praxis jetzt auf Teufel komm raus beweisen, dass es so war. Dass die immer noch weit größere Zahl an Männern in führenden Positionen nicht etwa nur ein Relikt aus überwundenen Zeiten war, sondern durchaus auch an der Eignung der Kandidaten liegen könnte, wurde zur Undenkbarkeit erklärt: Wenn Frauen Konzernchefs, Bankdirektoren, Firmenleiter, Parteivorsitzende etc. sein durften und es trotzdem nicht waren, dann lag das nie und nimmer an Qualifikation, Befähigung und Talent, sondern musste daran liegen, dass sie trotz aller Gesetze noch immer vom Mann unterdrückt wurden. Also wurde die Gleichstellungsbeauftragte installiert, die, anfangs ohne großen Schaden anzurichten, in Firmen und Institutionen dafür sorgte, dass Frauen gegenüber Männern nicht benachteiligt wurden. Später sorgten sie dafür, dass der Anteil der - vor allem in wichtigen Positionen - tätigen Männer den der Frauen nicht überstieg. Und noch später schafften sie es mittels der sogenannten Gleichstellungsquote, mehr oder weniger kompetente Männer durch inkompetente Frauen zu ersetzen. Kompetente Frauen haben heutzutage, behaupte ich, keine Gleichstellungsquote nötig. Eine kompetente Frau, die in die unglückliche Lage kommt, sich an eine Gleichstellungsbeauftragte wenden zu müssen, wird schnell herausfinden, dass sie ebensogut ihren Friseur mit der Lösung des Problems hätte beauftragen können. Mit dem Unterschied, dass der Friseur möglicherweise aufmerksamer zugehört hätte.
Entsprechend der Praxis, ein ungelöstes Problem hinter unnützem Brimborium zu verstecken, wächst die Zahl der sogenannten Gleichstellungsbeauftragten proportional zu ihrer Entbehrlichkeit.
Unterm Strich sind es Leute, die auf inhaltsleeren Posten sitzen, die es ihnen erlauben, sich wichtig vorzukommen und andere Leute zu schikanieren. Auch - und vielleicht erschöpft sich darin schon ihr Verständnis von Gleichstellung - Frauen.
Eine Gleichstellungsbeauftragte ist also, wie jeder andere, der ohne entsprechende Talente eine Machtstellung innehat, vor allem ein Mensch.
Ich halte es nicht für unmöglich, dass es unter ihnen hilfreiche und gütige Personen gibt, die sich tatsächlich für tatsächlich unterdrückte und tatsächlich diskriminierte Menschen einsetzen und für sie etwas zu bewirken vermögen. Es gibt wenig, was ich für unmöglich halte ...- eine Herrschaft des Gesunden Menschenverstandes vielleicht einmal ausgenommen.
Um an dieser Stelle ein wenig zum Denken anzuregen, entstand "Die Gleichstellungsbeauftragte", die ich nun folgendermaßen beschreiben und erklären will:
Das Stück spielt in einer Sandwüste. Die glühende Sonne am weißblauen Himmel, gelbe Dünen, ein Kamel, ein Araber und ein Geier beweisen, dass es so ist. Für mich war das das perfekte Bühnenbild, eine Welt zu zeigen, in der Frauen und Männer wahrhaftig nicht die gleichen Rechte haben. Es heißt, Frauen würden dort gegen Vieh getauscht, und man könne für einige Exemplare gar ein gut gewachsenes Kamel bekommen. Ich weiß nicht, ob es wirklich so ist, aber es ist dennoch eine Vorstellung, mit der ein aufrechter, gleichberechtigter Europäer etwas anfangen kann. Somit müsste sich jede Gleichstellungsbeauftragte sofort berufen fühlen, dort gleichstellend einzuschreiten und Gerechtigkeit walten zu lassen. Und also malte ich sie, nackt auf einem roten Seidenkissen, zwischen dem Araber und einem weißen Händler sitzend. Nackt nicht nur, weil es kaum einen schöneren Gegenstand zum Malen geben kann, sondern vor allem, um sie in ihrem Selbstbewusstsein als Frau zu zeigen. Um das zu unterstreichen, gab ich ihr außerdem einen roten Stift an die Lippen. Schließlich ist der Zusammenhang zwischen der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Eigenschaft, weiblichen Geschlechts zu sein, quasi elementar und nicht wegzudenken. Sie ist also weiblich, weiß das und kehrt es sozusagen hervor. Das Seidenkissen symbolisiert eine bevorzugte und ehrfürchtige Behandlung, wie sie einer höhergestellten Person zukommt. (Obwohl sie im Bild die niedrigste Position einnimmt; mit dem Geier einigermaßen auf Augenhöhe.) Was treibt sie nun dort? Natürlich sorgt sie für Gleichstellung, und zu diesem Zweck vermittelt sie zwischen dem Araber, der ein Kamel zu bieten, und jenem weißen Händler, der drei ganz eindeutig europäische Frauen im Warenkorb hat, die sich, wie zu einem touristischen Wüsten-Bummel herausgeputzt, offenbar arglos hinter ihm versammeln. Der Betrachter des Bildes entdeckt nun sofort, dass hier augenscheinlich ein Handel stattfindet: Der Araber, der das Kamel am Zügel führt, streckt drei Finger seiner linken Hand empor, anzudeuten, dass er durchaus der Meinung ist, sein Kamel sei drei Frauen wert. Der weiße Händler kalkuliert die Geschichte vermittelst seines Taschenrechners, wobei er die Augen gen Himmel dreht und mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand eine geldzählende Geste macht. Man ist sich anscheinend noch nicht so ganz einig. Und an dieser Stelle wird die Gleichstellungsbeauftragte wichtig. Sie, die weiß, wie viele Frauen auf eine gewisse Anzahl von Männern gehen, kennt sich natürlich auch auf ähnlichen Gebieten aus. Entsprechend berät sie den rechnenden Händler, indem sie ihm hinter ihrem Rücken ein Zeichen gibt. Zwei Finger, was also heißt: Dieses Kamel ist, ihrer sachkundigen Meinung nach, nur zwei Frauen wert. Freilich - das Zeichen hinter dem Rücken beweist es - ist sie nicht unparteiisch sondern auf Seiten des weißen Händlers, von dem sie mit Recht eine kleine Provision erwarten darf.
Damit hat sie ihrer Pflicht als Gleichstellungsbeauftragte Genüge getan. Der Geier nickt beifällig, und das Kamel tut seine Ansicht nach hinten heraus kund, indem es die Wüste düngt. Im Haufen sitzt die Signatur des Künstlers, als Zeichen dafür, dass der dessen Standpunkt teilt.
Interessant ist, hoffe ich, die Charakterisierung der sechs Personen: Die drei Frauen, in ihrer Eigenschaft als unbewusste Handelsware, stehen naiv und mild gelangweilt neben einem Geschehnis, das sie nicht verstehen und um dessen Verständnis sie sich auch nicht bemühen. Sie müssen sich um ihr eigenes Geschick nicht sorgen, denn sie haben ja eine Gleichstellungsbeauftragte. Der weiße Händler rechnet kühl und auf seinen Vorteil bedacht, jedoch schon mit der Sicherheit eines Mannes, der dabei ist, ein gutes Geschäft zu machen. Die Gleichstellungsbeauftragte betreibt ihr falsches Spiel mit Ernst und Engagement. Der Araber in seinem gestreiften Kaftan ist die einzige Figur im Bild, die einen fast sympathischen Eindruck macht. Und das ist auch so beabsichtigt.

10.07.2021