02.03.2017
Da bin ich wieder.
Douglas Adams´ Dirk Gently als Gutenacht-Lektüre ist ausgelesen
und hat Terry Pratchetts Johnny-Maxwell-Romanen Platz gemacht. Alle drei
- "Nur du kannst die Menschheit retten", "Nur du kannst
sie verstehen" und "Nur du hast den Schlüssel" - sind
tiefsinnig, warmherzig und humorvoll. Sie haben auch in den deutschen
Übersetzungen eine überzeugende Temperatur und Atmosphäre,
was womöglich daher rührt, dass sie nicht von
Andreas Brandhorst stammen.
Mit Precht allerdings bin ich fertig. Ich habe es nicht übers Herz
gebracht, meine Zeit mit diesem Buch zu vergeuden und bin froh über
die Entscheidung, es nach knapp 100 ordentlich gelesenen Seiten und wenigen
Stippvisiten zu Themen, die mir interessant schienen, endgültig zur
Seite gelegt zu haben. Es lohnt sich nicht.
"Wer bin ich - und wenn ja wie viele" ist flott geschrieben
und einfach zu verstehen und bereichert den Leser weder durch seine Sprache
noch durch neue Erkenntnisse. Die Erwähnung vieler illustrer Namen
und jeder Menge Kinofilme oder TV-Sendungen ist die Würze, die dazu
animieren soll, das Buch großartig zu finden. Es ist sozusagen das
Rezept des 100jährigen, der aus dem Fenster stieg: Man nehme einen
pfiffigen Aufhänger, knüpfe daran eine x-beliebige Handlung
und spicke sie mit allen berühmten Namen, die einem einfallen. Ein
Buch, in dem Goethe, Nietzsche und Schopenhauer vorkommen, muss,
per definitionem, tiefsinnig und literarisch sein. Ein Buch, das Mister
Spock aus Raumschiff Enterprise zitiert, kann gar nicht anders
als visionär sein. Und ein Buch, in dem angesehene Forscher und Wissenschaftler
auftauchen, ist selbstverständlich auch selbst wissenschaftlich forschend.
Dieser Trick, den Precht sich zwar nicht selbst ausgedacht hat, wird von
ihm allerdings erfolgreich spezialbehandelt: Weil er will, dass ein massenhaftes
Publikum sich für seine "philosophischen" Ausführungen
interessiert, muss er ihm das Gefühl geben, mitreden zu können.
Also zitiert er aus allseits bekannten Soaps oder Science-Fiction Serien.
Es ist wahrscheinlich eine Art Reflex und passiert in des Lesers Unterbewusstsein:
Ah, Mister Spock kennichdoch! Und schon fühlt er sich als
Mitglied eines Kreises von philosophisch Eingeweihten und findet das Schriftstück
gut.
In Wirklichkeit ist es ein überflüssiges Buch; ein Buch zum
Zeittotschlagen. Und damit könnte ich es unkommentiert der Unzahl
von Lesern überlassen, die auf sowas stehen. Aber mich ärgert,
dass Precht dieser Unzahl von Lesern - aus welchem Grund auch immer -
üble Falschmeldungen mit auf den Weg gibt. Wie gesagt: Nietzsche
kaum gelesen und nicht verstanden zu haben ist es, was Precht berechtigt,
einen der größten Denker der Menschheit; einen poetischen Träumer,
aufrüttelnden Revolutionär und unerschütterlichen Optimisten
in den Schmutz des eigenen oberflächlichen Urteils zu ziehen. Stellen
Sie sich nur mal vor, jemand würde tatsächlich glauben, was
dieser gaukelnde Daherschreiber über Nietzsche sagt. Stellen Sie
sich nur mal vor, eine Unzahl von Lesern ginge mit der Meinung aus Prechts
Seiten hinaus, Nietzsches Vision des Menschen sei tatsächlich ein
kitschiges, anmaßendes und albernes Wunschbild gewesen. Die Gefahr
besteht! Es gibt wahrhaftig Leute, die unbesehen alles glauben, was nur
irgend gedruckt und zwischen Buchdeckel geklemmt ist. ...- unklugerweise
lesen gerade diese Leute eben nicht alles, sondern sie lesen vorzugsweise
bunt verpackte Dummheiten, wie jenes Buch, von dem hier die Rede ist.
Auch der zweite von mir hoch geschätzte Philosoph kommt auf der "philosophischen
Reise" nicht gut weg: Ob Precht sich wohl wirklich die Mühe
gemacht hat, Schopenhauer ernsthaft zu lesen? Ich bezweifle es. Denn wenn
er Schopenhauer gelesen hätte, würde er auch gewusst haben,
dass er seinen eigenen Lesern den Willen, in welchem der geniale Philosoph
das Grundprinzip des Seins erkannt zu haben glaubte, nicht als den Alltagswillen,
im Sinne von "ich will mal eben", unterjubeln darf. Schopenhauer
selbst hat den von ihm gewählten Begriff des Willens kritisch unter
die scharfe Lupe genommen, relativiert und schließlich mit dem Vorbehalt
stehen lassen, dass es für diese Kraft einstweilen noch keine bessere
Bezeichnung geben kann, wollte man nicht ein ganz neues Wort erfinden.
Das kleine "ich will mal eben" spiegelt sich halt nur als winziger
Funke auf der unermesslichen Fläche des Willens als Grundprinzip
des Seins.
Das war Precht zu kompliziert, und falls er es verstanden hat, wollte
er es seinen Lesern nicht zumuten. So wird auch Schopenhauer von oben
herab und mit derselben Leichtfertigkeit abgetan wie Nietzsche.
Prechts "philosophische Reise" ist alles andere als philosophisch.
Das Buch ist schlecht recherchiert, oberflächlich geschrieben, leicht
verdaulich und gesundheitsschädlich; es ist nichts als Popcorn für
den Druckseitenkonsumenten: Man weiß gar nicht, was man da eigentlich
zu sich nimmt, es macht weder satt noch zufrieden, doch der Drang umzublättern
ist groß.
Widerstehen Sie ihm! Man kann seine Zeit besser ver(sch)wenden.
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